Mwiriwe – guten Tag aus Ruanda,
In den Rundbriefen, die vierteljährig erscheinen werden, erstatte ich euch weniger spezifisch Bericht und ziehe jeweils ein Fazit, über die bisherige Zeit meines Freiwilligendienstes. Über Fragen und Kommentare freue ich mich. Bitte beachtet, dass meine folgenden Schilderungen sehr subjektive Erfahrungen und Eindrücke sind und daher auf keinen Fall für das ganze Land oder alle Menschen gelten!
Meine Wohnsituation und Einblicke in den Haushaltsalltag
Ich lebe in einer eigenen kleinen Zweizimmerwohnung in Cyakabiri, einem Vorort der zweitgrößten Stadt Ruandas, Muhanga. Hinter den von Security bewachten Toren, leben außer mir der Bischof mit seiner Familie, sowie zwei weitere Familien in ihren eigenen Häusern. In meinem Haus sind zwei weitere Wohnungen vorhanden, die jedoch zurzeit nicht bewohnt werden. Außerdem sind tagsüber diverse weitere „Angestellte“ auf dem Grundstück unterwegs, da es hier bspw. üblich ist, dass jede Familie jemanden hat, der sich um Kinder, Wäsche, Essen etc. kümmert. Das Beste an der Wohnung ist der weite Ausblick über Täler und Berge, den ich von den Stufen meiner Hintertür aus abends zum Sonnenuntergang genieße und währenddessen den Tag reflektiere oder lese.
Was mir fehlt, ist eine gemütliche Sitzgelegenheit – ich habe lediglich vier Stühle zur Verfügung, auf denen ich es mir, so gut es geht, gemütlich mache. In der Küche ist außerdem kein Kühlschrank, weshalb ich mich auf haltbare Produkte beschränke, was machbar ist, manchmal habe ich aber schon Lust auf Käse oder Joghurt – das ist dann leider nicht so einfach. Trotzdem fühle ich mich in meiner Wohnung sehr wohl und bin gerne dort. Ich finde, es genau die richtige Mischung zwischen alleine sein und Kontakt zu anderen ist, die immer freundlich sind, wenn wir uns auf dem Vorplatz oder Hinterhof begegnen.
Mit dem Haushalt komme ich gut zurecht. In der Mittagspause kaufe ich in einem kleinen Laden in meiner Nachbarschaft Gemüse (dort werde ich nicht „abgezockt“, was leider auf dem Markt oder in manchen anderen Läden ein Problem ist und zahle einen „normalen“ Preis, der für Gemüse und Obst sehr gering ist). Anschließend koche ich auf dem Gasherd Möhren, Auberginen, Tomaten, Paprika oder was es sonst noch gerade so gibt und esse das Gemisch zum Mittag, gerne zum Beispiel mit Erdnussmehl als Sauce. Falls ich mal etwas anderes essen möchte, fahre ich in der Mittagspause mit dem Mototaxi nach Muhanga, wo es in vielen Restaurants typische Buffets gibt, bei denen man sich für umgerechnet ca. 1,50 Euro den Teller einmal auffüllt. Dort gibt es Reis, Kartoffeln, Nudeln, Bohnen, Maniok, Pommes, Fleisch und Gemüse. Wenn ich dann in der Stadt bin, gehe ich in den etwas europäischeren Supermarkt, in dem es feste Preise gibt und kaufe zum Beispiel Olivenöl, was es in den kleinen Läden nebenan nicht gibt.
Staubsauger o.ä. gibt es hier nicht, weshalb ich meinen Boden mit Wasser, Spüli und einem Wischer reinige, meistens am Wochenende, wenn ich zum Beispiel zwischen Bundesligaschlusskonferenz und Sportschau ein Stündchen Zeit habe. Das Wäschewaschen macht mir erstaunlicherweise Spaß. Ich wasche bisher alles mit der Hand, das geht gut. Wobei ich den Zeitpunkt immer clever abpassen muss, da die Sonne zum zeitgerechten trocknen scheinen muss und die Nachbarn gerade nicht waschen dürfen, da ich mir eine Leine mit ihnen teile. Das Waschen mache ich auch ganz gerne mal morgens vor der Arbeit, da es meistens flexibel ist, wann ich im Büro aufkreuze.
Die Arbeit bei RDIS
Das führt mich zum nächsten Thema: die Arbeit! Nach einem meist langen und entspannten Morgen gehe ich an ca. vier von fünf Wochentagen um 9.00 Uhr fünf Minuten zu Fuß ins Büro. Zur Morning Devotion, bei der die Menschen die auf dem Gelände der Diözese arbeiten, einen Bibeltext lesen und auslegen, gehe ich seit einiger Zeit nicht mehr. Am Anfang tat es mir gut dadurch einen Fixpunkt im Alltag zu haben, mittlerweile überwiegt aber das Interesse an einem ruhigen Morgen, zumal ich das in der Andacht präsentierte Gottesbild nicht teilen kann. Dazu später mehr.
Im Büro habe ich an vielen Tagen zunächst nicht viel zu tun, recherchiere ein bisschen für mich selbst, schreibe Blogbeiträge oder ähnliches. Manchmal bekomme ich eine Aufgabe wie zum Beispiel etwas lesen, ergänzen oder zusammenfassen. Dabei handelt es sich um Dokumente zu Projekten von RDIS, die ich gerne lese und mich dadurch mit der Situation der Menschen vor Ort befasse. Mal geht es um die „Church and Community Transformation“ und was sich durch die Intervention von RDIS bei der ländlichen Bevölkerung verändert hat, mal um den Effekt von installierten „Solar Home Systems“ auf Dächern in den Dörfern. In Ruanda gilt die Amtssprache Englisch, weshalb wir im Büro hauptsächlich Englisch sprechen und auch diese Dokumente auf Englisch sind.
Ein Projekt, in das ich stärker involviert bin, ist die Rekonstruktion der Felder des Bauernhofes „Mbayaya“, der 45 Minuten entfernt von Muhanga liegt. Marianne, eine Belgierin, die ihren Ruhestand in Ruanda verbringt, engagiert sich ehrenamtlich bei RDIS und hat es sich zu eigen gemacht, den Menschen rund um Mbayaya zu helfen, indem sie die Landwirtschaft moderner macht. Dafür setzt sie auf den Anbau bisher weniger bekannter Pflanzen, wie zum Beispiel Chiasamen oder Artemisia, eine Pflanze gegen Malaria. Um dieses Projekt auf der 11 ha großen Farm umzusetzen, ist viel Arbeit nötig. So haben wir im September die Felder ausgemessen und hatten viele Treffen zu den Möglichkeiten wie die Felder kultiviert werden können. Da Marianne ein eigenes Auto hat, was etwas Außergewöhnliches für die Menschen hier ist, konnte sie mich immer mitnehmen und ich habe viel gelernt über den Prozess „von der Idee bis in die Praxis“. Im Moment arbeiten wir an der Kalkulation des Budgets, um vom Bischof den entsprechenden Betrag zu bekommen, bzw. eine Crowdfunding Plattform einzurichten. Diese Arbeit macht Spaß, auch wenn sie auf Französisch erfolgt, was für mich schwieriger ist als das Englisch sprechen. Marianne spricht jedoch nur Französisch, und auch die Kollegen sind meist sicherer in Französisch als in Englisch, da die Amtssprache erst vor wenigen Jahren gewechselt hat.
Des Weiteren, stecken wir gerade mitten in den Vorbereitungen für den „German Christmas Market“ in Kigali, bei dem RDIS seine Produkte und Arbeit präsentiert. Wir nehmen teil, weil die VEM als Partner von RDIS deutsch ist und auf dem Weihnachtsmarkt vor allem die Deutsch-Ruandischen Beziehungen gezeigt und gestärkt werden sollen. Darauf freue ich mich schon sehr, auch wenn der Markt bereits am St. Martinswochenende (16./17.11) stattfindet. Für die Vorbereitungen verbringe ich viel Zeit mit Richard, der lange in Deutschland gelebt hat und für die VEM bei RDIS arbeitet. Ich freue mich darauf, nach dem Wochenende in meinem Blog darüber zu berichten.
Es gibt durchaus auch Tage, an denen ich ganz alleine im Büro bin und gar keine Aufgabe habe. Die werden jedoch gefühlt schon ein bisschen weniger und zur Not kann ich auch mal einen Vormittag die Süddeutsche online lesen. Wenn keine Besserung in Sicht ist, gehe ich nachmittags in die Primary School, die ebenfalls nicht weit entfernt ist. Dort spielen die Schülerinnen und Schüler mit den Lehrerinnen und Lehrern nachmittags Basket- oder Volleyball, wo ich einfach mitmachen kann. Das macht immer super viel Spaß, denn der Mannschaftssport fehlt mir doch ziemlich. Auch wenn ich mich als Mädchen manchmal ein bisschen benachteiligt fühle, da der Sport hier doch sehr von Jungs und Männern dominiert wird, hoffe ich, dass ich durch meine Präsenz die Rollenbilder vielleicht etwas aufbrechen kann. Denn dadurch merken die Jungs hoffentlich, dass Mädchen auch Ballsport machen können und die Mädels sehen, dass sie mitspielen können. Auch wenn ich weiß, dass der Weg dahin natürlich sehr, sehr weit ist und ich nichts direkt verändern kann.
Es gibt Tage, durchschnittlich ca. einer pro Woche, die von dem alltäglichen Ablauf abweichen. Wenn wir beispielsweise ein Training geben, bei dem in einer Kapelle der ländlichen Bevölkerung erklärt wird, wie sie effektiver wirtschaften und leben kann, oder wenn wir nach Kigali fahren, um ein Interview über die Arbeit von RDIS für die FAZ zu geben. Solche Tage sind Highlights in meinem Arbeitsalltag, und dann bin ich immer super glücklich, eine so vielseitige Arbeitsstelle zu haben. Auf den Bildern haben wir die Manufaktur besucht, in der Wasserfilter aus Keramik, sowie Herde, die weniger CO2 und Feuerholz benötigen, gefertigt werden.
Meine Freizeitgestaltung
Ich fühle mich recht frei, was die Anwesenheit im Büro angeht und kann selbst entscheiden, wann ich dort bin und wann zuhause. Daher habe ich einen Rhythmus entwickelt, der mir gut passt und bei dem ich täglich ca. sechs Stunden im Büro bin. Da ich früh ins Bett gehe, es ist ja schon um 18.15 Uhr dunkel und ich bin immer sehr erschöpft von vielen neuen Eindrücken, stehe ich auch recht früh auf. An ein bis zwei Morgenden in der Woche gehe ich laufen, das mache ich am liebsten zwischen 5.30 Uhr und 6.15 Uhr, da um die Zeit noch nicht so viele Menschen unterwegs sind. An den Morgenden, an denen ich nicht laufen gehe, schlafe ich aus. Wenn es dann noch früh genug ist, mache ich ein Intervalltraining in meinem Zimmer, wenn es schon halb acht ist, mache ich mich ohne morgendliches Training fertig. Ich habe gemerkt, dass das Sportmachen sehr guttut und ich viel positiver in den Tag starte. Außerdem fehlt mir der Sport, den ich sonst nach der Schule gemacht habe. Wenn ich um fünf aus dem Büro komme, habe ich hier leider kein Fahrrad, mit dem ich nochmal ne Runde drehen kann und auch keine Fußballmannschaft, mit der ich mich austobe. Daher habe ich die morgendliche Bewegung als Ausgleich gefunden und bin sehr zufrieden damit. Gegen halb acht frühstücke ich Haferflocken mit Wasser, Banane und Erdnussbutter, sowie Avocado oder Paprika. Während des Frühstücks schaue ich Videos, die ich mir im Büro gedownloadet habe.
Auch während der Mittagspause, meistens zwischen 13.00 und 15.00 Uhr, schaue ich entweder eine Serie und koche bzw. esse dabei oder lese. Leider gibt es hier in Ruanda keine leckeren Kekse oder Schokolade als Nachtisch, dafür das ganze Jahr über frische Ananas, Mangos und Maracujas. Die kommen direkt vom Feld und sind ein echter Vorteil des Lebens in Ruanda.
Wenn ich um 17.00 das Büro verlasse, gehe ich meistens nach Hause und verbringe den Abend entspannt. Ich trinke einen Tee während ich lese oder Sprachnachrichten für und von Freundinnen, Freunden und Familie aufnehme und anhöre. Manchmal bekomme ich nachmittags eine WhatsApp Nachricht einer jungen Lehrerin der Primary School, dass der Jugendchor um 17.00 Uhr probt, dann gehe ich in die Kirche um die kinyarwandischen Lieder so gut es geht mitzusingen. Hier treffe ich Jugendliche in meinem Alter und genieße den Gesang, der sich wirklich schön anhört. Im Umgang mit den anderen Chormitgliedern bin ich schon sehr viel lockerer und vertrauter geworden. Während ich mich am Anfang furchtbar unwohl gefühlt habe, kann ich jetzt schon mit den anderen scherzen, über Fußball quatschen und die ein oder andere Kinyarwandavokabel lernen.
Das Kinyarwanda verstehen und sprechen ist problematisch. Mit den Zahlen zum Einkaufen komme ich ganz gut zurecht und auch die Ausdrücke für Gemüsesorten fallen mir mittlerweile zum passenden Zeitpunkt ein, doch über mehr als das, und „Wie geht es dir?“ komme ich bisher leider nicht hinaus. Kinyarwanda lässt sich von der Komplexität her mit Deutsch vergleichen, während Suaheli ähnlich wie Englisch in Deutschland funktioniert: Jeder kann es so ein bisschen, da es Kinyarwanda bzw. Deutsch ähnelt, aber eine deutlich einfachere Grammatik beinhaltet.
Die Wochenenden
Meine Wochenenden sehen sehr verschieden aus. Die Samstage genieße ich gerne entspannt zu Hause, wasche, wische, backe Kekse oder Brot, mache einen Spaziergang nach Muhanga und höre NDR Info und Bundesliga. So vergeht der Samstag schnell und ich kann mich gut erholen, da ich doch immer noch von den kleinsten Erlebnissen enorm angestrengt bin. Eine, ich würde mittlerweile sagen Freundin, Noella, die Lehrerin aus der Schule, hat mich zu zwei Fußballspielen der ruandischen Premierleague mitgenommen und eingeladen, die nächsten Wochenenden etwas gemeinsam zu machen. Da bin ich gespannt drauf, doch verlangt auch so etwas enorm viel Energie und Schritte über meine bisherigen Grenzen.
Genauso wie Ausflüge nach Kigali. Obwohl ich mich bereits ein wenig an das Busfahren gewöhnt habe und auch nur noch halb so viel Angst habe, ein Mototaxi zu nehmen, ist ein Ausflug in die Großstadt immer ein Abendteuer. Zwar finde ich mich mittlerweile ganz gut zurecht und gehe auch gerne dort in den europäischen oder chinesischen Supermarkt, um eine etwas andere Auswahl als in Muhanga zu haben, ich bin jedoch jedes Mal sehr froh, wieder in Cyakabiri anzukommen. Trotzdem ist es toll, in Kigali andere Freiwillige zu treffen und Erfahrungen auszutauschen, aber ich bin einfach ein Dorfkind und genieße daher mein Vorstadtleben.
Die Infrastruktur
Die Mototaxis (Motos) habe ich ja bereits mehrfach angesprochen. Sie sind das Hauptverkehrsmittel in Ruanda und, wenn man richtig verhandelt, recht preiswert. An zentralen Stellen, das heißt fast jede Ecke, nehmen die Fahrer der Motorräder ein bis zwei Personen mit. Vorher sagt man, wo man hin will oder navigiert während der Fahrt, wenn man den Weg kennt. Während meiner ersten Fahrt hatte ich furchtbare Angst runterzufallen, mittlerweile halte mich teilweise, es kommt auf die Fahrweise an, gar nicht mehr fest.
Für kürzere Strecken sind außerdem Fahrradtaxis vorhanden, die neben Personen auch alle möglichen Güter von einem Ort zum anderen transportieren. Neben Bananen und Wasserkanistern habe ich auch schon Schränke und Türen auf den Gepäckträgern gesehen.
Die Busse sind das Hauptverkehrsmittel für längere Strecken. Ich kann direkt in meinem Dorf ein Ticket für umgerechnet einen Euro kaufen und damit eine gute Stunde nach Kigali fahren. Es gibt verschiedene Anbieter. Ich habe ein Stammunternehmen, von dem die Busse alle paar Minuten kommen und bei mir noch keine längeren Wartezeiten entstanden sind. Ich habe von anderen gehört, dass gerade zu Stoßzeiten allerdings auch mal die ein oder andere Stunde gewartet werden musste.
Durch Ruanda führt eine Straße, die recht schmal, aber gut markiert und asphaltiert ist. An beiden Seiten ist ein schmaler Streifen für Fußgänger und Fahrradtaxis. Die Straße führt von Kigali bis nach Huye, einer Stadt im Südwesten des Landes. Da sie einspurig ist und jeglicher Güterverkehr Ruandas ebenfalls über diese Straße erfolgt, sind Überholmanöver nicht zu umgehen, wenn man nicht den ganzen Tag auf der Straße verbringen möchte. Man bedenke dabei, dass Ruanda wirklich sehr gebirgig und hügelig ist (das Land der 1000 Hügel) und dementsprechend viele Kurven, Berge und Täler die Straße leiten. Daher ist es mir unmöglich auf dem Weg zu lesen – die Aussicht ist jedoch auch immer schön und die Zeit vergeht wie im Flug.
Was mir immer noch fremd ist – und sich auch nicht so schnell ändern wird
Hier komme ich auf Unterschiede zu sprechen, die mir aufgefallen sind und die mir schwerfallen, einfach so hinzunehmen. Zunächst einmal ist da die Sache mit der Freundschaft. Freundschaft ist für mich etwas über einen langen Zeitraum Entstehendes. Hier ist es mir mehrfach passiert, dass ich bereits nach einem ersten Kennenlernen als „Freundin“ bezeichnet wurde, was mich sehr überrumpelt und verunsichert hat. Ich finde es vereinnahmend, wenn ich so bezeichnet werde, ohne dass ich gekannt werde und denjenigen oder diejenige kenne.
Etwas, das schon durchgeklungen ist, ist das für mich problematische Gottesbild. Ich bin nicht regelmäßig im Gottesdienst, aber doch immer mal wieder, in denen mir Teile ins Englische übersetzt werden. Das, was ich dort und in der Morning Devotion mitbekomme, ist ein Gottesbild vom allmächtigen Gott. Dem Tun-Ergehen-Zusammenhang wird Gültigkeit zugeschrieben. Wenn ich die Kirche putze, wenn ich mehr spende, dann behütet mich Gott, sonst ist er böse und fügt mir Schaden zu. Von dieser Vorstellung habe ich mich u.a. dank des Religionsunterrichts der letzten Jahre verabschiedet (an dieser Stelle nochmal ein Dankeschön an Herrn Kranz). Nein, ich finde es einfach absolut unvorstellbar, und es fällt mir sehr schwer, diese Gebete, Predigten und Reden von außen hinzunehmen.
Des Weiteren stört mich, dass Ruandesen aller Altersgruppen, egal ob männlich oder weiblich auf die Wege rotzen. Das machen selbstverständlich nicht alle Menschen, doch es fällt mir täglich auf, und ich finde es eklig. Wenn man es mal beim Sport macht – okay – aber andauernd, inmitten von vielen Menschen einfach so, im Garten, oder auf der Straße, das ist sehr befremdlich für mich.
Dazu kommt, dass viele Kinder und Jugendliche auf der Straße unterwegs sind und mir „Umuzungu“ hinterherrufen. Bei kleinen Kindern habe ich damit kein Problem und ich winke gerne zurück. Wenn sie mir jedoch penetrant hinterherlaufen, mich anfassen wollen und nach Geld fragen, geht es mir zu weit und ich versuche sie mit einem klaren und deutlichen „Oya!“ (= Nein), loszuwerden. Das klappt meist auch, blöd fühle ich mich dabei trotzdem.
Was ebenfalls ein Hindernis für mich ist, ist der Körperkontakt. In Ruanda sitzt man nicht nur enger neben anderen im Bus oder in der Kirche, sondern berührt sich auch sonst viel stärker. Viele Menschen hier wissen jedoch, dass ich das nicht so gewohnt bin und nehmen Rücksicht, in Anwesenheit einiger anderer fühle ich mich jedoch sehr unwohl, da sie mich immer wieder anfassen. Sei es an Arm und Bein, aber ich bin es nicht gewohnt, so zu kommunizieren, besonders wenn man sich erst ein oder zweimal gesehen hat. Auch weiß ich nicht, wie ich in solchen Momenten reagieren soll. Bezüglich dieses Aspekts war eine Autofahrt an den Kivusee (großer See im Westen des Landes) sehr interessant. Mit Mariannes Auto haben wir den Ausflug gemacht – außer ihr und mir ein Belgier, sowie zwei ruandische Kollegen. Ich saß auf der Rückbank zwischen dem Belgier und einem Ruandesen. Während der Belgier immer „aufgepasst“ hat, nicht zu sehr zu mir zu rücken, war dies dem Ruandesen egal, der ohne Körperspannung immer wieder gegen mich gerumst ist und sich nicht darum geschert hat. Das kann natürlich von Person zu Person variieren, doch ich fand die Situation sinnbildlich für meine Erfahrungen bezüglich der Unterschiede im Körperkontakt.
Trotz der Herausforderungen, die mir auch im Alltag immer noch sehr viel abverlangen, bleibe ich optimistisch und hoffe, dass ich mich weiter einleben werde. Ich habe schon viel lernen dürfen und müssen, über mich selbst und das Leben im Allgemeinen und bin gespannt auf weitere Erkenntnisse.
Ich hoffe, dass es euch auch gut geht und ihr den Herbst soweit genießen konntet und weiter tut. Ich denke häufiger denn je an euch und freue mich über eure Anteilnahme und das Interesse. Ohne den Rückhalt von Zuhause würde ich das alles nicht schaffen!
Habt eine wundervolle Zeit,
eure Hannah in Ruanda
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