Weil uns niemand gesagt hatte, dass Ema den Mietvertrag, den sie für die Beantragung ihres Führerscheins gebraucht hat, auf die Farm bringen soll, mussten Ema und ich an diesem Donnerstag Morgen nochmal nach Hause. Als wir zu Hause ankamen, was nur zehn Minuten später war, kam eine Frau mit einem nackten 16 Monate alten Jungen auf dem Arm auf uns zugerannt und fragte uns um Hilfe. Ich war erstmal voll verwirrt, weil ich nicht wusste, ob sie Geld wollte oder etwas anderes, was aber komisch gewesen wäre, da das vor unserem Haus in einer Gated Community um neun Uhr morgens war. Als ich dann auf das Kind geschaut habe, habe ich gemerkt, dass es immer wieder gezuckt hat und Magensäure gespuckt hat. Es war nicht zu übersehen, dass es nicht mehr atmen konnte und wahrscheinlich einen Schock, Fieberkrampf oder epileptischen Anfall oder ähnliches hatte. Da ich mein Handy nicht dabei hatte und Ema keine Air-Time (Geld um zu telefonieren) und auch kein Internet mehr hatte, konnten wir nicht den Krankenwagen holen, was keinen Sinn gemacht hätte, da hier in Südafrika der Rettungsdienst zu lange dauert. Da wir wussten, dass unsere Nachbarin im Moment nicht arbeitet, da sie ein kleines Kind hat, hat Ema sie um Hilfe gebeten, da wir ins Krankenhaus mussten, wir aber den Weg nicht wussten. Sie wusste aber auch nicht was man jetzt genau machen soll und auch nicht den Weg zum Krankenhaus, kannte aber eine Polizistin, die auch in unserem Wohnkomplex wohnt. Gott sei Dank war sie da und wir konnten sie aus dem Bett klingeln und sie wussten genau was wir jetzt machen und wie wir das jetzt angehen. Sie meinte, dass sie mit uns ins Krankenhaus fährt, uns den Weg zeigt, weil der Krankenwagen zu spät kommen würde und das Baby dann vielleicht nicht mehr überleben würde. Also sind wir ins Auto gesprungen, das Kind nackt, die Babysitterin, gennant Auntie, des Kindes ohne Schuhe und mit Erbrochenem von dem Kind auf ihrem Rock, die Polizistin im Schlafanzug. Der Weg zum Krankenhaus war sehr einfach, trotzdem stand ich als Fahrerin total unter Schock, da man das Atmen vom Kind deutlich gehört hat und man wusste, dass es nicht mehr genug Sauerstoff bekommt und wir uns beeilen müssen, sonst wäre es vielleicht zu spät. Währenddessen hat Ema der Auntie gesagt, was sie mit dem Baby machen soll, damit es nicht das Bewusstsein verliert und etwas mehr Sauerstoff bekommt. Die Polizistin hat mir währenddessen den Weg zugeschrien, während sie die Mutter des Kindes anrief, da sie die einzige mit Air-Time war, um herauszufinden ob sie eine Krankenversicherung hat und sich diese zuschicken lassen konnte. Sie hat auf Kxosa telefoniert und mir auf englsich den Weg zugeschrien. Hätte sie keine gehabt, hätten wir in eine öffentliches Krankenhaus gehen müssen, dort hätte es natürlich länger gedauert und es hätte keine gute Versorgung gegeben (sagt man, da ich noch nie dort war kann ich das nicht beurteilen). Als klar war, dass wir zum privaten Krankenhaus können, hat die Polizistin der Auntie auf Kxosa Mut zugesprochen, dass alles gut wird, währenddessen haben Ema und ich auf deutsch auch immer wieder Mut zusprechen müssen, dass wir es rechtzeitig in die Notaufnahme schaffen. Irgendwann fing die Auntie dann an auf Kxosa zu beten, das habe ich daran gemarkt, dass sie immer wieder oh Jesus gesagt hat, was meine Nerven noch mehr gespannt hat, ob wir es rechtzeitig schaffen. Kurz vorm Krankenhaus habe ich nur noch gehupt, da das Auto vor uns sich Zeit gelassen hat, kurz bevor ich fast aus dem Auto geschrien hätte, dass hier ein Kind am sterben ist und wir JETZT ins Krankenhaus müssen, waren wir schon da. Ich habe die anderen rausgelassen, diese sind in die Notaufnahme gerannt und ich habe geparkt, erstaunlicherweise ziemlich gut. Als ich nachkam haben sie das Baby bereit an Sauerstoff gehängt und ihm Medikamente gegeben, aber erst nachdem die Frage „Haben sie eine Krankenversicherung“ bejaht wurde. Einen Moment später hat es schon wieder geschrien, was für mich das Zeichen war, das wir es geschafft hatten. Die Polizistin hat der Rezeption die Krankenversicherung des Kindes, die ihr per Whats App von der Mutter zugeschickt wurde, gegeben. Wir haben uns hingesetzt und die Auntie hat uns mit den Worten „God bless you“ umarmt, weshalb mir es noch schwerer fiel, die Tränen zurück zu halten. Langsam haben wir uns aber wieder entspannen können, da wir wussten, dass die Eltern kommen und das Kind in guten Händen ist. Als der Vater dann auch kam, haben Ema, die Polizistin und ich uns auf den Weg nach Hause gemacht, da wir eigentlich wieder zurück auf die Arbeit mussten. Auf dem Rückweg haben wir dann auch wieder lachen können.
Nun haben Ema und ich geholfen einem Baby das Leben zu retten, dabei noch unsere Nachbarn kennengelernt.
Das krasseste an der Geschichte ist, dass wir nur nach Hause musste, weil uns einen Tag vorher nicht gesagt wurde, dass Ema den Mietvertrag wieder zurückbringen muss und wir nur deshalb nach Hause gefahren sind, wären wir nicht da gewesen, hätte unsere Nachbarin nicht die Polizistin aufgeweckt und man weiß nicht, wie die Geschichte ausgegangen wäre.
Gott war da und hat womöglich dem Kind das Leben geschenkt und uns als Fahrer ins Krankenhaus geschickt.
Das Kind musste ein paar Tage im Krankenhaus bleiben es hatte einen Fieberkrampf. Jetzt winkt es mir immer wenn es mich sieht.
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