Mein letzter Rundbrief – Nr. 4

September 2020  Rundbrief Nr. 4
Emily’s entwicklungspolitischer Freiwilligendienst

Liebe Unterstützer, Familie, Freunde, Bekannte und Interessierte,
dies ist mein letzter Rundbrief, den ihr im Rahmen meines entwicklungspolitischen Freiwilligendienstes mit der VEM (Vereinte Evangelische Mission) erhaltet. Vielen Dank, dass ihr mich bis zum heutigen Tag treu begleitet habt und meinen Freiwilligendienst, beziehungsweise die VEM und ihre Projekte im Globalen Süden, sowie mich das ganze Jahr über mental unterstützt habt.
26.09.2020
Heute vor einem Jahr war ich gerade angekommen, in meiner vierten Woche Indonesien: Alles neu,
fremd, ungewohnt. Wärmer, aufregender, irgendwie herzlicher und freundlicher. Ich stammelte meine
ersten Smalltalk-Sätze auf indonesisch vor mich hin. Lernte jeden Tag so viele Menschen kennen und merkte: Die Bedingungen sind einfach optimal, um Menschen kennenzulernen. Menschen gingen auf mich zu, sprachen mich an, wollten Fotos mit mir als „orang boule“ (bedeutet so viel wie hellhäutige Ausländerin), luden mich zu Ausflügen oder zu sich nach Hause ein (teilweise hat dieses Verhalten mit Auswirkungen des Kolonialismus und folgender Diskriminierung zu tun). So wurde ich begrüßt. Immer und überall. Seit der ersten Sekunde fühlte ich mich wohl in meinem neuen Zuhause. „Sudah makan?“ (hast du schon gegessen?) war häufig die erste Frage, die bei einer Begegnung gestellt wurde. Und wenn ich sie mit „belum“ (noch nicht) beantwortete, stand wenige Minuten später Essen und Trinken auf dem Tisch. Jetzt denke ich darüber nach, welche Bedingungen Ausländer*innen in meinem Heimatland haben. Ich schäme mich.

Gastfreundlichkeit, Fremde Willkommen heißen, Nächstenliebe, Fürsorge, Freundlichkeit und Höflichkeit verbinde ich nun nicht mehr mit Deutschland. Vielleicht klingt es verallgemeinert und ist überspitzt ausgedrückt. Aber wirklich: Ich meine es so. Wenn du mit mir in Pematangsiantar gewesen wärst, wüsstest du, wie ich das meine. Ich beziehe es jedenfalls, das solltest du wissen, NICHT auf das Individuum. Ich kenne viele liebe, herzliche Menschen, die großzügig geben und für Minderheiten einstehen. Der Kontrast allerdings, den ich besonders nach meiner Rückkehr Ende März erlebt habe, ist unbegreiflich. Und ich schätze mein Privileg, einen Freiwilligendienst gemacht haben zu dürfen, um mir dessen bewusster zu sein, rückblickend noch mehr.

Ich habe euch kurz und knapp meine Perspektive geschildert. Wie wunderbar herzlich und offen Andere mir gegenüber in der indonesischen Stadt waren. Auch Milena, meine Mitfreiwillige, die 6 Monate in West-Papua war, berichtete Ähnliches. Schon wieder könnte ich gefühlt einen Roman über dieses und jenes Thema schreiben (meine Gedanken explodieren gerade wieder förmlich), aber das sprengt den Rahmen dieses Rundbriefs. So habe ich mein Umfeld auf der indonesischen Insel Sumatra, genauer gesagt in der Stadt Pematangsiantar, in der ich gelebt habe, wahrgenommen und erlebt. Zurück in Deutschland, besonders in den letzten 2 Monaten habe ich erfahren, wie die Perspektive anderer auf mich ist, und inwiefern ich mich verändert und entwickelt habe.

Zum Kennenlernen gehören schließlich Zwei. Dass und warum das „Kontakte knüpfen“ in Indonesien so simpel war, wird mir nun im Nachhinein erst richtig bewusst.

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