Fragerunde

Ein paar Fragen haben mich erreicht, von denen ich glaube, dass sie vielleicht auch für mehr Leute spannend sein könnten. Los geht’s.

Wie sieht dein Alltag aus?
4.15 Uhr erstes Aufwachen durch den Weck- und Gebetsruf des Muezin
4.30 – 6.30 Uhr schlafen zwischen dem Hahnkrähen
6.30 Uhr aufstehen, frühstücken, manchmal duschen, Suaheli lernen oder Wäsche waschen
8 Uhr auf zum Daladala, Zwischenstop in der Bäckerei für den Tagesproviant
8.45 Uhr Arbeitsbeginn
16 – 17.30 Uhr Schluss
dann entweder in Stonetown bleiben, essen, Leute treffen oder nach Hause und kochen, einkaufen
21-22 Uhr schlafen

Wie alt sind die Frauen, mit denen Du in der Nähwerkstatt und im Shop zu tun hast? Die Frauen sind ziemlich unterschiedlich alt. Die beiden Mitarbeiterinnen im Büro sind 25 und Anfang 30. Die Alter der Frauen im Workshop und Shop ist sehr breit gefächert. Die jüngste ist in meinem Alter denke ich. Dann geht es über ca. 30, ca. 40, ca. 45, ca. 50, ca. 60 ca. bis ca. 75. Ich weiß aber garnicht, wie das kulturell gesehen wird, wenn man Menschen nach dem Alter fragt. In Deutschland herrscht ja komischerweise „Je jünger, desto besser“ und „nach dem Alter fragt man nicht“. Darum hab ich das nie so ganz erfragt.

Wie ist es mit kulturellen Fettnäpfchen? Können die Menschen, mit denen Du zu tun hast, mit Deinem Verhalten gut umgehen, wenn es für sie manchmal eigentümlich oder „daneben“ erscheint? Spricht es dann jemand an, oder merkst Du eher, dass irgendwas nicht stimmt, und weißt nicht, was? Oder auch das nicht?
Puh, das ist die schwierigste Frage. Alle wissen, dass ich aus einer anderen Kultur komme. Wenn wir im Shop sind, dann bekommt Rama (ein tanzanischer Mitarbeiter, ungefähr in meinem Alter) häufiger mal Anweisungen was er machen oder lassen soll. Mir gegenüber wird das nicht geäußert. Ich finde es also total schwierig herauszufinden wann ich mich eigentümlich benehme und es ist glaube ich nicht üblich das anzusprechen. Mir ist aufgefallen, dass es sehr typisch ist alles nur mit der rechten Hand zu machen, besonders zu essen oder zu bezahlen. Das fällt mir manchmal schwer und ich nutze ganz automatisch auch die linke Hand. Wie die Leute, die mir gegenüber sind, das wahrnehmen, weiß ich aber nicht. Ich bin glaube ich noch zu sehr dabei mich einzufinden, dass ich noch nicht so ganz aufmerksam dafür bin. Manchmal habe ich ein Gefühl, das ich dann aber nicht auf eine konkrete Situation beziehen kann. Vielleicht verschiebe ich die Frage nochmal auf einen späteren Zeitpunkt. Ich werde aber weiter darauf achten und versuche solche Situationen zu erspähen.

 

Hast du das Freundebuch eigentlich gefunden? Ohja! Als ich in Dar war, hatte ich meinen Rucksack komplett ausgepackt. Anschließend hab ich für Morogoro wieder gepackt. Erst als ich meine Sachen dort wieder ausgepackt habe, hab ich ein Päckchen entdeckt, das ich auf jeden Fall nicht eingepackt hatte. Es stand mein Name drauf. Als ich es ausgepackt habe, hab ich ein dickes DinA4-Buch mit vielen bunten Seiten entdeckt. Die verschiedensten Leute aus meinem verschiedenen Lebensetappen haben eine Seite gestaltet, mir Wünsche, Fotos und gemeinsame Erinnerungen hinterlassen. Es ist so detailreich, dass ich es sehr häufig lesen muss. Eine richtig schöne Idee! Danke an alle, die sich daran mit so viel Mühe beteiligt haben. Und danke an meine Schwester, die das angezettelt und gelayoutet hat! 🙂

Wie sind Deine Erfahrungen als weiße Frau in der Öffentlichkeit? Wirst Du oft für eine Touristin gehalten?
Als weiße Frau in der Öffentlichkeit wird sehr unterschiedlich mit mir umgegangen. Ich würde sagen, dass es Unterschiede zwischen Stonetown (der touristischen Stadt in der ich arbeite) und Mwanakwerekwe (dem Vorort oder der Stadt nebenan in dem ich wohne) gibt. In Stonetown ist es total normal Weiße zu sehen, die dort im Hotel übernachten. Viele sprechen dort englisch. Dort werde ich meist mit „hello my friend“ angesprochen und Leute versuchen mir etwas zu verkaufen. Das ist sogar total anstrengend, wenn ich auf dem Weg zu Upendo bin oder überhaupt durch Stonetown laufe. Ich habe das Gefühl, dass der Weg immer alltäglicher wird. Bei jedem kleinen Shop werde ich aber freundlich auf englisch begrüßt und herzlich eingeladen einen Blick rein zu werfen. Oder wenn ich mal am Strand bin, kommt jemand und erzählt uns sehr ausführlich über die Touren, die er anbietet. Außerdem ist alles mindestens doppelt so teuer. Wir waren letztens zu 3. (nur wir Freiwilligen) in einem Restaurant, in dem wir mit dem Upendo manchmal waren. Anstatt 5.000 für das gleiche Essen zu bezahlen, sollten wir 10.000 bezahlen. Neben diesen manchmal anstrengenden Situationen gehen aber auch viele Privilegien damit einher, dass ich weiß bin. Wenn ich erzähle, dass ich als Freiwillige arbeite, dann reagieren die Personen mit „ah, you are a teacher!“. Mir wird also ganz automatisch Wissen, Bildung und Kompetenz zugeschrieben. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob ich 18 oder 26 oder „richtig Erwachsen“ bin. Kleidungs- und Verhaltensnormen in der Kirche und überhaupt auf der Straße sind für mich entspannter, Leute reagieren nachsichtiger. Oder die Geschichte, die ich von der Fähre berichtet habe, ist hier auch zu nennen. Im Upendo gibt es manchmal Situationen, in denen irgendwelche höheren Gremien tagen. Manchmal werde ich auch eingeladen, als „special guest“ meinten sie. Und allein die Tatsache, dass ich ein Jahr in diesem Land verbringen kann, hängt glaube ich auch damit zusammen. Ein Privileg. Womit hab ich das verdient? Und möchte ich das überhaupt haben? Habe ich überhaupt eine Chance das abzulegen? Oder muss ich mich damit arrangieren und überlegen, wie ich am liebsten damit umgehen mag?
In Mwanakwerekwe werde ich viel seltener angesprochen. Aber auch das passiert täglich mehrmals. Ich habe den Eindruck, dass sich Leute manchmal total freuen, wenn sie englisch sprechen können. Andere möchten gern einmal die Hand schütteln. Wir wohnen direkt auf dem Kirchengelände. Ich habe schon den Eindruck, dass es für die Kinder nochmal eine andere Bedeutung hat, ich weiß aber nicht warum. So viele Kinder kommen zu uns, geben uns die Hand. Erwachsene machen das selten. Ich weiß nicht, ob die Kinder das sollen oder unbedingt wollen oder was sie sich davon erhoffen. Es ist mir noch ein Rätsel.
Außerdem werden Weiße hier Mzungu (für eine Person) bzw Wazungu (für mehrere) genannt. Mir ist das echt unangenehm. Es hat erstmal keine Wertung in der Aussage, sondern ist einfach eine sachliche Feststellung oder eine Benennung ohne den Namen zu wissen. Dennoch gibt es ja etwas, was dazu motiviert mich zu benennen und andere nicht.
Dass ich weiß bin und in einer Umgebung aufgewachsen bin, in der weiß sein die Norm war, wusste ich schon. Und ich wusste auch, dass es Orte gibt, in denen Weiße eine Minderheit sind. Was das aber konkret mit sich bringt, wie sich das anfühlt und welche Gedanken da hoch kommen, stelle ich erst jetzt so richtig fest. Bei diesem Thema bin ich jedenfalls noch nicht fertig wahrzunehmen und zu überlegen, wie ich damit eigentlich umgehen möchte.

Ist Klimawandel usw. ein Thema oder gar nicht? Als am 20. September die großen Klima-Demos waren, habe ich an Dich gedacht: da war immer von der „weltweiten“ Beteiligung die Rede. In Daressalam vielleicht auch?
Klimawandel ist schon auch ein Thema. ZB wurden in Tanzania Plastiktüten verboten. Nun weiß ich garnicht wie es vorher war und was sich verändert hat. Wenn man etwas auf dem Markt kauft, wird es in Papiertüten oder verpackt. Wenn man sich Backwaren kauft, werden sie in Zeitungspapier verpackt (wie gesund das ist, weiß ich allerdings auch nicht). Außerdem laufen überall Verkäufer mit so Mehrweg-Taschen rum.
Ansonsten gibt es hier ein großes Problem mit Müll, würde ich sagen. Einige Menschen werfen ihren Müll auf den Boden wo auch immer sie gerade sind. Dadurch liegt überall viel Müll rum. Es gibt nicht so öffentliche Mülltonnen in der Stadt. Ich hab aber jetzt Orte entdeckt an denen an der Wand etwas steht wie „Müll bitte hierhin werfen“. Wenn ich aber nicht zufällig solch eine Ecke entdecke, was soll ich mit meinem Müll machen? Außerdem hab ich mich mit einem aus der Gemeinde unterhalten. Er findet es auch ein großes Problem und er sagt, dass es ein Umdenken bei den Menschen geben muss. Er würde seine Kinder anders erziehen. Und ich habe auch schon mitbekommen, wie er Kinder hier in der Gemeinde darauf aufmerksam gemacht hat, als sie Müll haben fallen lassen. Außerdem meint er, dass da die Regierung ran muss und mehr darüber aufklären und Möglichkeiten zur Entsorgung schaffen. Es ist nicht unbedingt ein individuelles Problem, sondern vorallem ein politisches. In Stonetown sehe ich jeden Morgen eine Müllabfuhr, die den Müll aus den Straßen auffegt und mitnimmt. Häufig sehe ich kleine, private Feuer, bei denen Müll verbrannt wird.
Von Demonstrationen zum Klimawandel hab ich nichts mitbekommen. Über die Homepage von Fridays For Future habe ich aber Arusha, Dar, Moshi, Nyangao und Ruvuma in einer Liste entdeckt. In Arusha und Moshi gibt es wohl wöchentliche Demos.

 

Wenn ihr habt, lasst mir weitere Fragen gern zukommen. Ich versuche sie bestmöglich zu beantworten. Danke auch für die Kommentare hier im Blog oder persönlich – ich freue mich sehr darüber!

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