Ein Chorausflug

Die letzten Wochen hat der Jugendchor begonnen, sich regelmäßiger zum Proben zu treffen, da die Ferien Anfang November angefangen haben. Außerdem stand am Sonntag, den 9.11., ein Auftritt in einer Nachbargemeinde an. Ich habe begonnen, mich innerhalb der Gruppe wohl zu fühlen, da ich mit jeder Probe weniger „Umuzungu“ und mehr Hannah werde. Daher sagte ich bei einer der Proben in der vorhergehenden Woche zu und bezahlte 1000 Rwf (=1€) für die Busfahrt nach Ruhango um mit den anderen aufzutreten.

Noella, meine erste Ansprechperson meines Alters, schreibt mir vor jeder Probe eine WhatsApp Nachricht, dass sich der Chor trifft. Wenn ich dann noch nichts anderes vorhabe, (also eigentlich immer), gehe ich direkt aus dem Büro in die Zionkirche, die nur wenige Meter entfernt, (wenn auch ziemlich steile Meter), auf dem Zionberg liegt. 

Dort wird während der etwa einstündigen Probe ein Lied nach dem anderen durchgesungen – den Text schreibt mir Noella auf dem Handy mit. Meistens kann ich die Silben ganz gut lesen, obwohl ich nichts verstehe. Auch in dieser Hinsicht ist Noella hilfsbereit und versucht, mir die Grundzusammenhänge auf Englisch zu erklären. Auch wenn meine Ansichten mit den Texten selten übereinstimmen, da auch sie von einem allmächtigen Gottesbild geprägt sind, habe ich Spaß dabei, die kinyarwandischen Worte zu singen. In die Melodien komme ich schnell rein und auch die Texte wiederholen sich häufig. 

Als weitere Herausforderung vor dem Auftritt stellte sich die Kleiderfrage. Bei den Jungs war sie schnell geklärt (schwarze Hose – weißes Hemd) und die Mädels einigten sich schließlich auf einen schwarzen Rock mit schwarzem oder buntem Oberteil. Habe ich leider alles nicht, also sagten sie mir, ich solle eine schwarze Hose und ein weißes Oberteil tragen. Ein weißes Oberteil fand ich, musste jedoch auf eine wenig elegante schwarze Hose ausweichen, entsprechend fühlte ich mich ein wenig underdressed – aber halb so schlimm, ich musste mich ja nicht sehen, sondern habe nur die anderen gesehen, die sehr hübsch aussahen 😉 

Am Samstag vor dem Auftritt fragte ich Noella, wann wir uns treffen würden, um gemeinsam mit dem Bus aufzubrechen. Ich fragte dreimal nach, ob wir wirklich um 07.00 Uhr los wollen, da der Gottesdienst hier traditionell um 9.00 Uhr beginnt und der Weg nach Ruhango, (hatte ich vorher auf der Karte nachgeschaut), nicht länger als 45 Minuten dauert. Ja ja ja, lautete die Antwort und so ging ich am nächsten Morgen extra erst um zehn nach sieben aus dem Haus, da ich nicht so lange warten wollte und mir schon dachte, dass es ein wenig später wird. Als ich um viertel nach sieben die Einzige beim Treffpunkt war, machte ich mir schon Sorgen, dass sie ohne mich losgefahren sein könnten und wollte wieder nach Hause gehen, als doch der erste Chorsänger kam. Nun ja, um fünf nach acht kamen immer noch welche und ich war ziemlich genervt. Ich wusste, dass Deutsche pünktlich sind und, dass das nicht überall so ist, aber ich hätte anstatt des Wartens so viel sinnvollere Dinge machen können! Nachdem auch die Instrumente aus der Kirche geholt waren, ging es dann endlich los. 

Meine negativen Gedanken zu der „verschwendeten Zeit“ waren auf dem Weg schnell vergessen und ich war gespannt auf die neue Gemeinde. Außerdem lerne ich seit meinem Ankommen hier, Zeit nicht als verschwendet anzusehen, sondern auch in solchen Momenten die positiven Dinge zu suchen. Angekommen, stellte sich die Kirche als Freiluftkirche heraus, da das Gebäude im Moment neu gebaut wird. 

Kaum ausgestiegen ging es auch schon los und ein Gottesdienst, ähnlich wie der, den ich bereits aus der Zionkirche kannte, begann. Stundenlanges singen, beten, lesen und zuhören. Unser Auftritt war Teil des Ganzen, jedoch war ich überrascht, dass wir nicht wie gewöhnlich im Gottesdienst zwei Lieder sangen, sondern mindestens sieben (irgendwann habe ich nicht mehr mitgezählt…). Davon hatten wir, seit ich hier bin, allerdings erst drei oder vier gesungen, sodass ich mich bei den restlichen bemühte, einen möglichst entspannten Gesichtsausdruck aufzusetzen. Auf Noellas Handy versuchte ich die Texte so gut es ging zu lesen, was jedoch nur mäßig gelang. Währenddessen tanzten und sprangen die anderen befreit, wodurch die Stimmung sehr locker wurde.

Die Sonne stach ziemlich und um die Mittagszeit war es ziemlich warm, unsere Sitzplätze waren aber zum Glück im Schatten. Mit einem Mal kam eine heftige Windböe, die viel Sand und Staub beinhaltete und keine Sekunde später fing es, wie aus dem nichts an, wie aus Eimern zu gießen. Die Technik wurde schnell in einem der benachbarten Klassenräume verstaut, in dem wir uns ebenfalls unterstellten. 

Das mit der Technik ist hier in Ruanda auch so eine Sache… es ist nämlich so, dass auf sie große Stücke gehalten wird und es ganz wichtig für die Anwesenden ist, dass immer durch ein Mikro gesprochen und gesungen, sowie alles, jeder und jede verstärkt wird. Ich persönlich finde das nicht nötig. Häufig verschluckt oder verzehrt das Mikro die Stimmen, hat viele Störungen, sodass es oft piept und fiebt und außerdem hören sich die Lieder in meinen Ohren accapella viel schöner an. 

Zurück beim Unterstehen, dachte ich, dass wir nach dem Schauer zusammenpacken und zurückfahren würden. Die Predigt war gehalten, der Gottesdienst über 3,5 h in Gang, da konnte doch nicht mehr viel kommen. Aber Fehlanzeige: kaum war es wieder trocken, brachten unsere Sänger die Technik nach draußen und die Pastorinnen und Pastoren kamen herbei. Wir setzten uns auf die Bänke und weiter ging es. 

Ich, in der Hoffnung nach dem Gottesdienst endlich wieder nach Hause zu fahren, plante meinen Nachmittag mit Plätzchenbacken (siehe bald folgenden Blogeintrag zum German Christmas Market). Jedoch erfuhr ich, dass wir nach der Zeremonie noch essen und quatschen würden, um den Kontakt und Austausch der Partnerchöre zu fördern. Damit ging es mir zunächst gar nicht gut. Dieses Angewiesensein auf die anderen und den Bus und das „Nichtwegkönnen“ haben mich zwischenzeitlich ziemlich fertig gemacht. 

Nach dem Ende des Gottesdienstes, gegen 14.00 Uhr, brachten wir die Bänke zurück in die Klassenräume, besichtigten den neuen Kirchenrohbau und setzten uns anschließend in einer Art Gemeindehaus zusammen. Außer unserem Chor, der Chor und Verantwortliche der dortigen Kirche. Ich musste mich vorstellen und versuchte meine Kinyarwandabrocken in der Praxis anzuwenden, worüber sich die Menschen amüsierten, aber auch freuten. 

Es gab ein kleines, typisch ruandisches Buffet, bei dem wir alle einen Teller bekamen und darauffolgend eine Tasse „icyayi“ (= Tee) bekamen. Das war mein erster „richtig ruandischer Tee“ – sprich eigentlich heiße Milch mit Ingwergeschmack und sehr viel Zucker. Nach kurzem probieren ließ ich den Rest stehen. 

Nach weiteren Erzählungen verschiedener Leute gingen die ersten von uns langsam in Richtung der zwei Busse, die uns wieder zurückbringen sollten. Eins durfte aber nicht fehlen: die Fotos. Ruandesen und Ruandesinnen sind ganz verrückt danach, schicke Fotos von sich in allen möglichen Positionen mit vielen Menschen zu machen. Folglich machten wir vor unserer Abfahrt noch eine Fotosession, bevor wir uns alle wieder in die Busse quetschten, es ist wirklich sehr eng an den Knien, und gegen 17.00 Uhr, die Rückfahrt antraten. 

Die war super lustig. Noella, Eme (unser Schlagzeuger), und ich lernten Englisch – Kinyarwanda – Deutsch. Wir tauschten ein paar Smalltalkvokabeln aus und amüsierten uns über die Aussprache. Das war entspannt und ich wurde und werde in Anwesenheit des Chores, immer mehr „ich selbst“. 

Im Nachhinein war es ein spannender Tag mit neuen Erfahrungen in vielen Hinsichten. Hätte ich gewusst, dass wir erst abends zurückkommen würden, hätte ich es noch mehr genießen können, so hat mich die spontane Änderung in meinem Tagesplan zwischenzeitlich verunsichert – aber auch das gehört dazu. 

Ich hoffe, dass ich euch einen kleinen Einblick in den Alltag des Chores und den Ausflug geben konnte und ihr euch ein bisschen vorstellen könnt, wie das Leben hier läuft. 

Habt alle eine wundervolle Zeit und schaut gerne die anderen Beiträge an oder hinterlasst einen Kommentar mit Fragen oder Anmerkungen. 

Alles Liebe aus dem Süden und bis bald,

Eure Hannah 

One Responses

  • Frauke

    Liebe Hannah, die Uhren gehen wohl wirklich anders in Ruanda! Da können wir als durchgetaktete EuropäerInnen, insbesondere überpünktliche Deutsche, viel von lernen. Es könnte uns lehren, gelassener im Hier und Jetzt zu sein, und den Augenblick zu erleben, ohne an den nächsten Punkt auf unserer To-do-Liste zu denken. Das Plätzchenbacken hast du dann ja doch auch noch später geschafft.
    Ich danke Dir sehr für Deine tollen Berichte und Fotos- sie sind eine gute Vorbereitung für mich im Hinblick auf meinen Besuch bei Dir!
    Besonders freut es mich, dass Du Dich allmählich wohler fühlst und auch sprachlich besser zurecht kommst.
    Weiter so! Wie gesagt, es geht alles langsamer als gewohnt; auch das Ankommen in der neuen Kultur und Lebensart. Du kannst stolz sein, dass du den langen Atem bei behalten hast.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert