Bis vor einer Woche hatte ich noch keine Berührungspunkte mit dem Thema Corona. Instagram und Spiegelonline waren voll mit Berichten über Corona – besonders über Geschichten und Informationen aus Deutschland. Es gab viele Tipps zum Händewaschen und Abstand halten. Leute haben Hamsterkäufe gemacht. Ich hab Fotos von leeren Regalen und übertriebenen Klopapierkäufen gesehen. Auch ironische Fotos und Videos gingen rum. Bis vor einer Woche habe ich nur aus Medien und von Freund*innen in Deutschland davon mitbekommen. In Tanzania gab es noch keinen Fall und um mich herum hatte sich nichts verändert. Sehr selten habe ich mal Menschen darüber reden hören.
Und plötzlich kam die Nachricht vom BMZ, dass alle Freiwilligen nach Deutschland zurück geholt werden müssen. Da für mich Corona absolut noch nicht präsent war und ich unbedingt auf Sansibar bleiben wollte, war das eine sehr erschütternde Nachricht für mich. Es hat mich traurig und wütend gemacht. Kurz zuvor beim Zwischenseminar haben wir uns über die 1. Jahreshälfte unterhalten sowie Pläne und Wünsche für die 2. Hälfte gesammelt. Ich habe mich darauf eingestellt und mir die kommenden 6 Monate ausgemalt. So viele Dinge, die ich noch machen oder miterleben wollte: Den Kimbia bila Shaka Lauf in Stonetown, eine muslimische und eine christliche Hochzeit, Ramadhan, die Regenzeit, Ausflüge. Aber ich wollte auch meine Kontakte intensivieren und mit den mir lieb gewonnen Leuten Zeit verbringen. Ein anderes Ziel war es mein Suaheli auszubauen, mich mehr zu trauen und mehr zu lernen.
Puff. Alles weg.
Am Montag spät abends kam die Email und eine Woche später die Ausreise. Am Anfang konnte ich es garnicht wahr haben. Es hat mich sehr traurig gemacht. Zwischendurch hat es sich aber auch so unrealistisch angefühlt, da es sich so anfühlte als würde ich für immer da sein.
Meine letzte Woche habe ich damit verbracht Menschen zu treffen und mich zu verabschieden. Ich habe meine Sachen aussortiert und verteilt. Ein paar Tage vorher habe ich nämlich einige Sachen aus Deutschland mitgebracht bekommen wie einen 6-Monatsvorrat Schokolade sowie Marmeladen, Körner zum Brotbacken und andere Kleinigkeiten. Das konnte ich nicht alles wieder mit zurück nehmen. Am Donnerstag gab es spontan bei Upendo eine Verabschiedung bei der wir gemeinsam gegessen haben, alle haben Liebe Worte gesagt und wir durften uns etwas aus dem Shop aussuchen. Das war wirklich schön. Abends bin ich zu einer Familie meiner..ich würde sagen besten Freundin hier gefahren. Wir haben den Abend miteinander verbracht und sind ein letztes Mal mit dem Bodaboda nach Hause. Auch habe ich mich gefragt, was ich mir eigentlich selbst als Andenken an die Zeit mitnehmen möchte. Was wollte ich schon die ganze Zeit machen und kann ich jetzt noch schnell tun. Die meisten Pläne stehen noch aus. Wie kann und möchte ich mich spontan von den Menschen vor Ort verabschieden.
In meiner letzten Nacht auf Sansibar habe ich dann bei der eben genannten Familie übernachtet und am Sonntag sind wir zusammen mein Gepäck aus der Wohnung holen und auf zur Fähre. Die letzte Nacht in Dar und dann ist das „Jahr“ vorbei.
Zwischen all den Begegnungen und Achterbahn der Gefühle habe ich begonnen mir eine Matratze in Deutschland zu organisieren, mich über Krankenkasse und Arbeitslosigkeit zu informieren und Dinge geregelt.
Aber auch die Verabschiedung war besonders. Verabschieden finde ich häufig schwierig. Wenn sich aber in Zeiten von Corona Menschen nicht mehr die Hand geben oder drücken, dann finde ich das sehr vorsichtig und vorbildlich und gleichzeitig super traurig. So gerne hätte ich Menschen gedrückt und ihnen „anständig“ Tschüss gesagt. So ist es aber bei Winken und 1,5m Abstand geblieben.
Innerhalb dieser Woche hat sich auf die Situation auf Sansibar oder in Tanzania verändert. Einen ersten Fall gab es in Arusha, dann auf Sansibar. Nun sind es glaube ich 12 Fälle. Davon sind 11 Personen aus dem Ausland. Angst verbreitet sich. Menschen sind (wie vermutlich auch in Deutschland) unsicher über richtiges Verhalten und das tatsächliche Ausmaß des Risikos. Schilder mit Anleitungen zum Umgang miteinander und Hände waschen wurden aufgehängt. An verschiedenen Stellen steht nun Wasser zum Waschen. Hotels schließen, sagen den Gästen ab. Auch Shops sind zum Teil geschlossen. Die Schulen und Unis sind zu. Es gibt kaum noch Tourist*innen. Aus Italien darf man nicht mehr einreisen. Ich habe gemerkt, dass sich Reaktionen auf mich als weiße Person verändert haben. Weißsein wird plötzlich mit Corona verknüpft, da die Epidemie gerade vor allem in den Medien im globalen Norden verortet wird. Es gibt einige gute Maßnahmen. Gleichzeitig steigt die Angst und die Sorge davor wie Geld zum Leben und Essen verdient werden kann. Die wenigsten Leute werden weiter finanziert. Jobs werden auf Eis gelegt oder Menschen sind selbstständig. Selten haben sich Leute darauf vorbereitet und Geld für die nächsten Monate zur Zeiten gelegt. Auch in Deutschland haben viele Menschen finanzielle Sorgen. Gleichzeitig haben die meisten (aber auch nicht alle!) Menschen das Privileg sich darauf verlassen zu können, dass sie vom Staat unterstützt werden können.
Soweit das, was mich in den letzten 7 Tagen beschäftigt und mein Leben verändert hat.
Ich nehme mir aber für meine Quarantäne-Zeit in Deutschland vor weitere Artikel zu schreiben und die freie Zeit zu nutzen alte Themen in Worte zu fassen.
Schaut also gern nochmal rein, wenn es euch interessiert.
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